Diamantenfund des Jahrhunderts
Um den Zweiten auf einem Feld gibt es normalerweise nicht viel Aufregung. Er löst nicht den gleichen 'Hype' aus wie die Nummer eins. Es sei denn die Nummer zwei ist ein Diamant – und zudem der größte seiner Art seit mehr als 100 Jahren. Ein solcher Stein ist jetzt nämlich in Botsuana entdeckt worden. Der Finder will ihn für mehr als 60 Millionen Dollar verkaufen. Doch als Investment sind Diamanten nicht ohne Risiko.
Es ist der aufsehenerregendste Fund des Jahrhunderts, und er hält schon jetzt die 80 Milliarden Dollar schwere Diamanten-Industrie in Atem. Wie der 1111 Karat (222,2 Gramm) schwere Sensationsfund am Markt ankommt, interessiert aber weit über die Grenzen des Edelsteinhandels hinaus.
Entdeckt haben "den Neuen", der etwas kleiner ist als ein Tennisball, Arbeiter des kanadischen Unternehmens Lucara Diamond in der Karowe Mine in Botsuana. Der Wert dürfte bei zig Millionen Dollar liegen. Die Aktie der Firma ist bereits um mehr als ein Drittel gestiegen. In Karowe wurden ungewöhnlich viele große Steine ans Tageslicht gebracht.
Der Chef Lucara Diamond hat nun eine Hausnummer für den 1111-Karäter genannt: "Mehr als 60 Millionen Dollar" soll der Klunker von der Größe eines Kieselsteins nach seinen Vorstellungen kosten. Ebenso wie der Cullinan fällt der jetzt gefundene Rohdiamant wegen seiner außergewöhnlichen Größe in eine andere Kategorie als herkömmliche Diamanten. Für solche solitären Steine, die von Natur aus selten sind, werden pro Karat weit höhere Preise gezahlt als für handelsübliche Diamanten.
Der neue Diamant könnte Rekorderlös bringen
"Schon auf den letzten Auktionen hat die Firma mehrere außergewöhnlich große Steine versteigert. Vor wenigen Wochen hat Lucara insgesamt 1440 Karat für 29,7 Millionen Dollar verkauft", erinnert sich Uwe Günther, Geschäftsführer von BPM Berlin Portfolio Management in Berlin. Der jetzt gefundene Diamant sei aber so außergewöhnlich, dass selbst die überdurchschnittlich hohen Auktionserlöse von 20.625 Dollar je Karat kein Maßstab sind: "Hier reden wir ganz klar von Liebhaber- und Knappheitspreisen."
Sensationell große Diamanten wie der aus der Karowe-Grube können für rund 60.000 Dollar je Karat verkauft werden. Doch Minen-Chef Lamb spekuliert bereits darauf, dass die Bewertung des 1111-Karäters noch höher ausfällt. "Viele Leute werden 60.000 Dollar pro Karat als Basis nehmen". Man müsse die Größe des endgültigen, geschliffenen Steins sowie den historischen Kontext würdigen, wirbt der Manager.
Ein Karat entspricht 0,2 Gramm und ist die traditionelle Gewichtseinheit für Edelsteine. Das französische "Carat" bezeichnete ursprünglich den Samen des Johannisbrotbaums, mit denen das Gewicht der oft winzigen Diamanten bestimmt wurde.
Der 1111-Karäter aus Botswana
Der Stein aus Botsuana tritt ein großes Erbe an. Der Cullinan wurde seinerzeit gespalten. Aus den einzelnen Steinen wurden dann unter anderem der "Great Star of Africa" und der "Lesser Star of Africa" geschliffen, die in die britischen Kronjuwelen eingearbeiteten wurden.
Den Angaben von Unternehmenschef Lambs zufolge hat Lucara bereits ein Angebot von mehr als 40 Millionen Dollar zurückgewiesen. Das Natural History Museum von London wolle den Edelstein ausstellen. Und der Discovery Channel sei an der Produktion einer Dokumentation interessiert. Doch Lucara hat beim Verkauf des Diamanten nach eigener Auskunft keine Eile, das kanadische Unternehmen gilt als schuldenfrei und finanziell gut aufgestellt.
Der Nimbus, der Diamanten wie den Cullinan umgibt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die edlen Steine als Investment kein ungetrübtes Vergnügen sind. Über Dekaden hieß es zwar, dass das härteste natürliche Material der Welt (Diamanten haben, obwohl sie ebenso wie das weiche Grafit aus Kohlenstoff bestehen, die Härte zehn) sich langfristig immer nur verteuern, nie verbilligen.
In den vergangenen Jahren hat diese Vorstellung aber Kratzer abbekommen. Die Notierungen für Rohdiamanten sind nach einem Höhenflug 2011 und 2013 zuletzt auf ein Fünfjahrestief gefallen. Und die führende Branchenfirma De Beers hat die Preiserwartungen 2015 um weitere neun Prozent nach unten korrigiert.
Wertentwicklung hinkt Dax und Gold hinterher
Summa summarum haben sich die Edelsteine in den zurückliegenden zehn Jahren nicht so gut entwickelt wie andere Vermögenswerte: Im Schnitt wird ein Karat bester Qualität heute mit 6600 Dollar gehandelt und damit nur rund ein Viertel höher als im Jahr 2005, wie aus dem Rapaport Diamond Trade Index hervorgeht. Aktien des Deutschen Aktienindex haben sich mehr als verdoppelt und Gold ist heute sogar 220 Prozent teurer als damals.
Die schwache Preisentwicklung der vergangenen Jahre hat mitunter interne Gründe: Die Abwicklung der Antwerp Diamond Bank hat die Finanzierung erschwert. Dazu kommt die schwächere Konjunktur in China, das sich seit der Öffnung der Jahrtausendwende zum wichtigen Absatzmarkt für Juwelen und Schmuck entwickelt hat. Auch die Anti-Korruptions-Kampagne im Reich der Mitte, die vielen Chinesen das Zurschaustellen von Luxus vergällt hat, belastet die Nachfrage.
Schließlich sind auch die Inflationserwartungen der globalen Investoren erheblich gesunken, sodass alternative Investments, die eine Absicherung gegen Geldwertverfall bieten, an Attraktivität eingebüßt haben. Das zeigt sich auch im Gold-Preis, der am Freitag auf ein Sechsjahrestief bei 1052,46 Dollar je Unze gefallen ist.
Edelsteine sind nur was für geduldige Sparer
"Diamanten sind Sachwerte, die einen Inflationsschutz bieten", sagt Andreas Görler, Vermögensmanager bei Wellinvest Pruschke & Kalm. Er rät nur solchen Anlegern zu Diamanten, die einen langen Atem haben und ein tieferes Interesse an diesen wunderbaren Schätzen der Erde mitbringen. "Diamanten sind eine Krisenwährung, durchaus als Alternative zu Gold", sagt Arnim E. Kogge, geschäftsführender Gesellschafter der Vertiva Family Office in Stuttgart. Anleger haben die Möglichkeit, Diamanten über Fonds zu erwerben, beim Juwelier oder direkt bei einem spezialisierten Händler.
"Edelsteine sind als Investment nicht liquide und lassen sich im Notfall nicht schnell veräußern", räumt Görler ein. Der Anleger müsse sich mit deutlich mehr Fachwissen wappnen als bei herkömmlichen Investments wie Aktien und Anleihen. Bei Diamanten und Farbedelsteinen gibt es keinen geregelten Markt, wo der Preis wie bei Gold und Platin täglich ermittelt wird. An- und Verkauf laufen also über Fachleute, die immer einen Wissensvorsprung haben werden.
Megatrend durch Indien und China
Für langfristig orientierte Sachwert-Anleger können die Schätze gleichwohl eine interessante Beimischung sein. Florian Agarwalla von der Finanz Konzept AG in Zürich spricht sogar von einem Megatrend. Sein Unternehmen investiert selbst in Diamanten: "Die weltweite Nachfrage wird in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen, während das Angebot ab spätestens 2019 rückläufig sein wird", sagt Agarwalla.
Die Nachfrage wird vor allem durch rasant anwachsende Mittelschichten in China und Indien getrieben." Außerdem werde das Angebot ab spätestens 2019 rückläufig sein, da die Edelstein-Förderung immer kostspieliger wird.
Wer sich für die edlen Steine interessiert, muss sich mit den vier C beschäftigen, die zur Beurteilung ihrer Qualität herangezogen werden: Colour, Carat, Clarity und Cut. Colour steht für die Farbe, Carat (die englische Schreibweise von Karat) für die Gewichtseinheit, Clarity für die Reinheit und Cut für die Schliffform. Die bekannteste Form ist der Brillantschliff.
Da große Steine deutlich seltener sind als kleinere, steigt der Wert von Edelsteinen, im Gegensatz zu Edelmetallen, mit dem Gewicht überproportional an. Daher wird der Stein aus der Karowe Mine immer eine Besonderheit bleiben, auch wenn er nur die Nummer zwei ist.